Emotionen - Allgegenwärtig und doch unfassbar

Hallo - wie fühlst du dich?

Eine Frage, der wir als Begrüssung in unserem Alltag oftmals begegnen. Doch dieses Mal würde ich dich gerne darum bitten, dir einen Moment Zeit zu nehmen, um dir auf diese Frage eine ehrliche Antwort zu geben.

Wie fühlst du dich heute? Richte deinen Blick nach innen und beobachte deinen Gefühlszustand. Falls es dir hilft, kannst du dafür gerne deine Augen kurz schliessen und ein paar Mal tief ein- und ausatmen. Welche Emotionen gibt es zu entdecken? Fällt es dir leicht diese zu benennen?

Emotionen in Worte fassen – oder doch anders rum?

Wir haben eine gewisse Anzahl Wörter, die uns zur Verfügung stehen, um unsere Gefühle auszudrücken. Klassiker sind: Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Trauer und Überraschung. Diese Emotionen sind auch als Basisemotionen nach Paul Ekman bekannt. Doch, können wir unsere Gefühle anhand dieser Wörter wirklich vollständig beschreiben? Tiffany Watt Smith vertritt die Meinung, dass diese Auffassung von Emotionen viel zu kurz kommt. Um das ganze Emotionsspektrum abzudecken, braucht es ein viel differenzierteres Vokabular. Denn die Sprache erhält im Gefühlskontext eine Doppelfunktion. Einerseits dient sie uns als Gefäss, um unsere Gefühle mitzuteilen, andererseits beeinflusst die Sprache selbst unser Gefühlserlebnis massgeblich. Die Kulturwissenschaftlerin zeigt in ihrem Werk «Das Buch der Gefühle» auf, dass Emotionen keine festgefahrenen Reflexe im Gehirn sind, sondern von unserer Gesellschaft stark geprägt werden. So ist sie beispielsweise auf für uns unbekannte Emotionsausdrücke wie Iktsuarpok, Besorexia und Oime gestossen. Umgekehrt gibt es Begriffe für Emotionen, die nur auf Deutsch existieren, wie zum Beispiel das Wort «Fremdschämen» und «Wanderlust». Die Emotionswelt ist somit durch ihre kulturelle, gesellschaftliche wie auch kontextuelle Unterschiede bunter und vielfältiger als sie auf den ersten Blick scheinen mag.

Aber was heisst denn nun Iktsuarpok, Besorexia und Oime? Am Ende dieses Beitrags wird die Bedeutung dieser drei Emotionen aufgelöst.

Wozu Emotionen?

Eine von vielen Theorien, welche die Funktion von Emotionen erklären möchte, ist die Evolutionstheorie. Gemäss dieser Theorie dienen Emotionen dem Überleben. Jede Emotion hat einen Zweck und erfüllt gewisse Grundbedürfnisse. Angst dient beispielsweise als Schutzfunktion. Wut hilft uns dabei eine Hürde zu meistern, um an das gewünschte Ziel zu kommen. Überraschung hingegen stärkt unsere Aufmerksamkeit. Gefühle geben uns somit den nötigen Antrieb, um ein gewisses Verhalten auszuführen.

Darüber hinaus beeinflussen Emotionen neben unserem Verhalten auch unsere Wahrnehmung. Die stimmungskongruente Informationsverarbeitung beschreibt das Phänomen, dass wir Reize, die zu unserer aktuellen Stimmungslage passen, auch einfacher wahrnehmen und besser verarbeiten.
Bist du beispielsweise in guter Stimmung, fällt dir das Lachen deines Nachbars mehr auf, beim Coiffeur hat’s gerade noch einen freien Termin und dass du den Zug verpasst hast, ist gar nicht so tragisch. Wenn du hingegen verstimmt bist, siehst du alles durch die negative Brille.

Emotionen regulieren

Stell dir folgendes Szenario vor: du stehst seit 30 Minuten in der Schlange, um zwei Tickets für deine Lieblingsband zu kaufen. Da kommt plötzlich jemand von der Seite und drängelt sich in der Reihe vor. Du fühlst wie dein Herz etwas schneller schlägt, wie es dir warm wird und du dieser Person am liebsten sagen würdest, was für eine Frechheit das ist. Doch stattdessen schaust du nur empört um dich und sagst nichts. Kommt dir dies bekannt vor? Das ist nicht verwunderlich, da die Emotionsunterdrückung eine der meist verwendeten Emotionsregulationstechniken ist. Der Grund dafür ist oftmals, dass wir Emotionen als negativ bewerten oder diese in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Die Forschung zeigt allerdings, dass diese Unterdrückung unserer Gesundheit schadet. Das Immunsystem kann dadurch geschwächt werden. Deshalb werden Personen, welche Gefühle langfristig nicht zulassen öfters krank als solche, die ihre Emotionen mitteilen. Am Arbeitsplatz kann das Unterdrücken von Emotionen zu geringerem Engagement und Produktivität führen.

Aufgrund dieser und weiterer negativer Folgen ist es wichtig, über die eigenen Gefühle zu sprechen. Ganz unabhängig davon, ob sie positiv oder negativ sind.

«Wie geht’s Dir?» - Emotionen ABC

Auch wenn es wichtig ist sich zu öffnen und über Gefühle zu sprechen, fällt es vielen schwer – vor allem wenn es um negative Emotionen geht. Es besteht die Befürchtung, schwach zu erscheinen oder leicht verletzlich zu wirken. Solche negativen Gefühle sind verbreiteter als man vermuten würde. Im Verlauf des Lebens erkrankt jede zweite Person einmal psychisch. Eine offene und ehrliche Kommunikation kann die psychische Gesundheit stärken und wirkt somit einem negativen Verlauf entgegen.
Die «Wie geht’s Dir»-Kampagne sensibilisiert dieses Thema. Sie macht Mut, über Gefühle und insbesondere Belastungen zu sprechen. Es lohnt sich, über die eigene psychische Gesundheit zu sprechen. Denn je schneller es einem gelingt sich zu öffnen und bei Bedarf Hilfe anzunehmen, desto einfacher kann neue Kraft geschöpft werden. Dann dauert es auch nicht lange, bis es wieder bergauf geht und alles anders aussieht. Um deine Gefühlslage regelmässig zu kontrollieren, kannst du die neue «Wie geht’s dir App» downloaden. Dabei lernst du das Emotionen ABC kennen, welches dir dabei hilf, deine Gefühle zu benennen. Zudem findest du hilfreiche Gesprächstipps, die du für vor, während und nach der Unterhaltung nutzen kannst.

Zu guter Letzt - die Aufschlüsselung zu den dir wohl bisher unbekannten Emotionen:

  • Iktsuarpok: Zappeliges Warten auf Besuch
  • Besorexia: Starker Drang, jemanden zu küssen
  • Oime: Unbehagen, wenn man jemandem zu sehr verpflichtet ist

Möchtest du noch mehr zum Thema wissen, dann schau den interessanten TED Talk mit Tiffany Watt Smith!

 

Referenzen:
Cote, S. (2005) A social interaction model of the effects of emotion regulation on work strain. Academy of management review. 30, 509-530.
Pennebaker, J. W. (1997). Opening up: The healing power of expressing emotions. Guilford
Watt Smith, T. (2016). The Book of Human Emotions. Little, Brown and Company.

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