Stillen
Muttermilch stellt die optimalste Nahrung für ein Neugeborenes dar. Die Weltgesund-heitsorganisation (WHO) empfiehlt sogar, Kinder bis sie zwei Jahre alt oder älter sind, zusätzlich zu ersten anderen Nahrungsmitteln, zu stillen. Diese Empfehlungen werden nur sehr selten erreicht. Gründe dafür werden später in diesem Beitrag beschrieben. Zuerst folgen ein paar Fakten über die Muttermilch selbst. Hast du gewusst, dass sich die Muttermilch über die Zeit verändert und sich so den Bedürfnissen des Kindes anpasst?
Woraus besteht Muttermilch?
Muttermilch enthält unter anderem die grundlegenden Nährstoffe Kohlenhydrate, Proteine und Fette. Das enthaltene Wasser dient dazu das Baby mit genügend Flüssigkeit zu versorgen. Weiter in der Muttermilch vorhanden sind:
- Vitamine und Mineralstoffe – fördern gesundes Wachstum, Organfunktion, Aufbau der Knochen
- Antikörper – schützen vor Krankheiten und Infektionen
- Hormone – z.B. als Appetitregler, für den Schlafrhythmus oder die Bindung
- Wachstumsfaktoren – fördern gesunde Entwicklung (z.B. Darm, Blutgefässe, Nervensystem)
- Enzyme – helfen z.B. bei der Verdauung, Aufbau des Immunsystems • Oligosaccharide – Präbiotika («gute Bakterien»), beugen u.a. Infektionen vor
- Lebende Zellen – z.B. weisse Blutkörperchen (Stärkung des Immunsystems), Stammzellen (Entwicklung und Heilung von Organen)
- …
Diese Liste ist nicht vollständig und es werden immer wieder neue Inhaltsstoffe durch Forschungsarbeiten entdeckt. Viele dieser zusätzlichen Inhaltsstoffe können auch nicht künstlich nachgebildet werden, was die Muttermilch so besonders macht. Erstaunlich ist, dass sich die Muttermilch an das Alter des Babys anpasst und ihm die Inhaltsstoffe in einer Weise zur Verfügung stellt, welche es gerade braucht. So ist die Muttermilch in den ersten paar Tagen (Kolostrum genannt) dickflüssig, klebrig und enthält besonders viele Antikörper, Mineralstoffe und Proteine. Später bildet sich eine sogenannte Übergangsmilch, die einen höheren Fett-, Kalorien- und Laktosegehalt aufweist. Nach gut vier Wochen wird die «reife Milch» gebildet. Sie ist reich an Hormonen, Wachstumsfaktoren, lebenden Zellen und Enzymen. Möchtest du dein Kind langfristig weiterstillen? Kein Problem, deine Brust kann monate- oder sogar jahrelang qualitativ hochwertige reife Muttermilch produzieren.
Wie genau die jeweilige Zusammensetzung der Muttermilch dem Baby zugutekommt, kannst du hier nachlesen.
Was sind die längerfristigen Vorteile des Stillens für die Mutter und das Kind?
Bestimmt hast du auch schon davon gehört, dass viele Mütter Schwierigkeiten beim Stillen haben und deshalb frühzeitig damit aufhören oder dem Baby aus anderen Gründen lieber die Flasche geben. Bist du gerade selbst in dieser Situation? Oder kennst du eine junge Mutter, die mit dem Stillen aufgehört hat? Damit bist du oder deine Bekannte nicht alleine. Zu Beginn stillen in der Schweiz rund 95% der Frauen. Nach sechs Monaten sind es nur noch rund die Hälfte und das langfristige Stillen (> 6 Monate) stellt in der westlichen Gesellschaft häufig sogar ein Tabu dar.
Warum stillen Mütter frühzeitig ab?
Häufig stellt man sich das Stillen viel einfacher vor als es in der Realität ist. In den sozialen Medien werden Bilder gezeigt, die vorwiegend glückliche stillende Mütter zeigen, was den Eindruck vermittelt, dass das Stillen etwas vom einfachsten und natürlichsten der Welt ist. Im echten Leben treten jedoch gerade zu Beginn einige Probleme auf, wie beispielsweise Schmerzen oder Brustentzündungen. Dies führt dazu, dass Mütter bereits aufhören zu stillen bevor der Milchfluss überhaupt richtig begonnen hat. Die jungen Mütter sind häufig verunsichert und glauben nicht an sich selbst und ihre Intuition. Dazu kommt, dass auch die Gesellschaft einen grossen Einfluss auf das Stillen hat. Zum Beispiel war früher das Stillen in der Schweiz verpönt und hat dazu geführt, dass viele Mütter ihre Kinder gar nicht gestillt haben. Ein weiterer, häufig genannter Grund fürs frühzeitige Abstillen sind zudem die Reaktionen aus dem Umfeld / der Öffentlichkeit. Vielleicht hast du es auch schon selbst erlebt, dass dich jemand angeblafft hat, nur weil du kurz im Café dein Baby gestillt hast? Dabei hast du eigentlich das Recht als Mutter, dein Kind auch in der Öffentlichkeit zu stillen. Wenn du als Mutter in die Arbeitswelt zurückkehren möchtest, hörst du häufig mit dem Stillen auf, da es viel aufwändiger ist als die Pulvermilch in der Flasche. Zu diesem Zeitpunkt ist das Baby erst wenige Monate alt, denn der Mutterschaftsurlaub in der Schweiz dauert 14 Wochen und ist im Vergleich mit anderen Ländern eher kurz.
Wusstest du, dass du auch Rechte zum Stillen am Arbeitsplatz hast? Informiere dich hier, wenn du mehr darüber erfahren möchtest.
Nebst diesem «Abstilldruck» herrscht heute vermehrt auch ein «Stilldruck». Dieser kann für einige Frauen ebenfalls eine hohe Belastung darstellen, da ihnen das Gefühl vermittelt wird nur eine gute Mutter zu sein, wenn sie das Kind stillt.
Was wenn ich mein Baby nicht stille? Bin ich dann eine schlechte Mutter?
Es kann immer wieder einmal vorkommen, dass du (aus unterschiedlichen Gründen) nicht stillst oder dass das alleinige Stillen fürs Baby nicht ausreicht. Bist du deswegen eine schlechte Mutter? Nein! Es ist völlig in Ordnung, wenn du dein Baby zusätzlich zur Muttermilch zufüttern musst oder sogar komplett abstillst. Du bist für dein Kind trotzdem eine perfekte Mutter, denn dein Baby braucht vor allem eins: Nähe, Geborgenheit und Liebe. Diese Dinge kannst du ihm jederzeit durch liebevolle Zuwendung und Körperkontakt geben.
Merke dir:
Setz dich nicht unter Druck, wenn das Stillen nicht auf Anhieb klappt. Die meisten Mütter sind zu Beginn unsicher und müssen gewisse Herausforderungen überwinden. Manchmal kann es auch vorkommen, dass es trotz bester Absicht nicht funktioniert und auch das ist völlig in Ordnung. Wichtig ist: Hol dir rechtzeitig Hilfe und Beratung. Sprich zum Beispiel mit deiner Frauenärztin / deinem Frauenarzt oder der Mütterberatung.
Weitere Informationen und die häufigsten Fragen und Antworten rund ums Thema Stillen findest du auf der Internetseite der Stillförderung Schweiz. Vom 18. bis 25. September findet zudem die Weltstillwoche statt. Die diesjährige Woche trägt das Motto: «Stillen schützen: eine Verantwortung der Gesellschaft».
Referenzen:
Medela AG. (2021). Zusammensetzung der Muttermilch: Woraus besteht deine Muttermilch? https://www.medela.ch/stillen/deine-stillzeit/muttermilch-zusammensetzung
Spiegel Gesundheit. (2017, September). Muttermilch – Warum viele Frauen nur kurz stillen. https://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/stillen-warum-viele-frauen-frueher-aufhoeren-als-empfohlen-a-1169895.html
Stillförderung Schweiz. (2021). Informationen für Eltern. https://www.stillfoerderung.ch/logicio/pmws/stillen__info__de.html
Swissinfo. (2019, September). Schweizer Frauen unter Still- und Abstilldruck. https://www.swissinfo.ch/ger/weltstillwoche_schweizer-frauen-unter-still--und-abstilldruck/45205920
World Health Organisation. (2021, Juni). Infant and young child feeding. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/infant-and-young-child-feeding