Mental Training: Erfolgreich sein, wenn es darauf ankommt

Mentale Stärke - Tipps & Tricks

Um Ihre inneren Vorgänge bewusst zu beeinflussen, können Sie selber Tricks erfinden!

In den vorhergehenden Beiträgen «Mentale Stärke - Techniken» und «Mentale Stärke - Training» wurde beschrieben, dass unser Steinzeithirn auf Impulse aller Art aus der Aussenwelt, aus unserem Körper oder unserem Grosshirn reagieren muss. Neben den dort beschriebenen Instinktreaktionen auf gewisse Impulse können wir selber beliebige Impulse setzen und uns dazu eine gewünschte Reaktion beibringen. Bei ankommenden Impulsen, die nicht im Instinkt festgelegt sind, fragt «Vegi» nämlich kurz bei «Willi» im Grosshirn nach, welche Erfahrungen wir mit diesem Impuls bereits gemacht haben und ob der Impuls Gefahr bedeutet oder vielleicht besonders Lustvolles (Nahrungsaufnahme/Fortpflanzung) verspricht, oder ob allenfalls keine Reaktion nötig ist.

Erfahrungen sind gelernt

Lernen funktioniert im Prinzip folgendermassen: Wir nehmen mit unseren Sinnen etwas in der Aussenwelt oder in unserem Körper wahr. Unser Hirn entscheidet, ob das Wahrgenommene irgendeine Bedeutung für uns hat. Wenn nicht, wird die Information einfach wieder aus dem Hirn gekickt. Erkennen wir eine Bedeutung, wird erst mal abgeglichen, ob die Information nun im Hirn nur für kurze Zeit im entsprechend benannten Kurzzeitgedächtnis verbleibt oder für immer im Langzeitgedächtnis gespeichert werden soll. Für immer gespeichert wird die Information nur, wenn sie irgendwo an eine bereits gespeicherte Information anknüpfen kann oder wenn sie vom Hirn als überlebenswichtig eingestuft wird. Die Geschichte mit dem Anknüpfen kennen wir aus der Schule: Wir sollen etwas lernen, können es uns aber einfach nicht merken. Also was machen wir? Wir bauen uns eine Eselsbrücke: Wer «nämlich» mit «h» schreibt, ist dämlich. Wer will schon dämlich sein? Dann reimt es sich auch noch so schön - und schon ist die Information gespeichert.

Im Gehirn werden Wahrnehmungen also miteinander verknüpft und was da zusammengehängt wird, ist bei jedem verschieden. Glauben Sie mir, wir können Dinge kombinieren, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben!

Ein russischer Forscher namens Iwan Petrowitsch Pawlow hat Ende des 19. Jahrhunderts ein berühmtes Experiment mit einem Hund gemacht. Im Labor wurde im Maul des Hundes mit einer Sonde gemessen, wieviel Speichel er den lieben langen Tag produziert. Wenn man ihm Futter hingestellt hat, hat er durch den natürlichen Verdauungsreflex vermehrt Speichel produziert. Wurde eine Glocke geläutet, hat er eine normale, durchschnittliche Menge Speichel produziert. Glocken kann man ja bekanntlich nicht fressen. Aber dann haben die Forscher jedes Mal, wenn sie dem Hund das Fressen hingestellt haben, gleichzeitig die Glocke geläutet. Der Hund hat dadurch eine starke Lernverbindung aufgebaut: Fressen + Glocke. Nach einer Weile hat der Hund, auch ohne, dass er Futter bekam, beim Klang der Glocke ebenso viel Speichel produziert wie sonst beim Anblick oder dem Geruch von Fressen.

Wenn jetzt jemand denkt «dummer Hund», dann erkläre er mir mal bitte, was rote Stöckelschuhe mit Fortpflanzung zu tun haben!

Wenn man allerdings oft genug eine durch Gestik, Mimik und knappe Bekleidung als paarungswillig erkennbare Person in roten Stöckelschuhen präsentiert, dann genügt manchen Menschen nach einiger Zeit bereits der Anblick des entsprechenden Schuhwerkes, um in Fortpflanzungsstimmung zu kommen. So einfach ist das.
Diese Form von Lernen ist bekannt unter dem Begriff «Klassische Konditionierung».

Durch Lernen entstehen über die Lebensjahre unsere Vorlieben und Abneigungen, unser Wissen und unsere Überzeugungen. Sind diese einmal gespeichert, wirken sie mit der Zeit ohne bewusstes Denken auch schon fast reflexartig. Nehmen wir ein Beispiel: Welches Gefühl stellt sich bei Ihnen ein, wenn Sie Zimt riechen oder sich den Geruch von Zimt vorstellen? Die meisten Menschen verbinden den Geruch von Zimt mit Weihnachten. Und je nachdem wie Sie Weihnachten bisher erlebt haben, wird sich ein angenehmes oder ein eher unangenehmes Gefühl einstellen. Wenn Weihnachten harmonisch und liebevoll war und Sie mit der Familie zusammen in fröhlicher Stimmung Zimtgebäck hergestellt haben, dann stellt sich ein angenehmes Gefühl ein. Waren Sie jedoch an jedem Weihnachten gestresst durch das «Jagen» nach passenden Geschenken, durch Streit am Familienfest, durch Übersättigung und schlechtes Essen etc., dann wird sich wohl ein unangenehmes Gefühl einstellen.

Was Sie sich unbewusst an Weihnachten in Bezug auf den Geruch von Zimt beigebracht haben, können Sie auch bewusst für die Gestaltung eines ganz individuellen mentalen Tricks in Bezug auf eine Ihrer unerwünschten Reaktionen anwenden.

Nehmen wir mal an, Sie möchten sich nicht aufregen, wenn Ihr Arbeitskollege an der Team-Sitzung dummes Zeug redet. Mit einem mentalen Trick werden Sie den Arbeitskollegen nicht an der Verbreitung von dummem Zeug hindern können, aber Sie haben die Sie unnötig belastende Stress-Reaktion darauf besser im Griff. Dabei könnten Sie zum Beispiel im Vorfeld einer solchen Situation den Anblick und das Berühren Ihres Kugelschreibers mit etwas Lustigem verbinden. Tun Sie das zu Hause in einer ruhigen Situation wieder und wieder: nehmen Sie Ihren Kugelschreiber in die Hand, vielleicht bewegen Sie ihn auch immer in einer gleichen Weise in den Fingern, schauen Sie ihn an und denken Sie dabei intensiv an etwas, das Sie lustig finden. Ich schreibe hier ganz bewusst nicht vor, was lustig ist, denn das wiederum ist zu individuell.
Gelingt es Ihnen, den Anblick und das Anfassen des Kugelschreibers zuverlässig mit der richtigen Situation zu Hause und dem Lustigen zu verbinden, können Sie an der nächsten Sitzung den Kugelschreiber in die Hand nehmen, ihn anschauen und sich dabei ebenfalls auf das Lustige konzentrieren. Zum einen lenkt Sie das ab und zum anderen wird «Vegi» in Ihrem Grosshirn nachfragen, was es mit dem Kugelschreiber auf sich hat. Ist die Antwort «Ruhe und Lustig», dann wird sie die entsprechende gefühlsmässige Reaktion einleiten.

Wichtig beim Gestalten solcher Übungen und Tricks ist, dass Sie zwei Dinge/Situationen zuverlässig miteinander in Verbindung bringen. Nur dann werden diese im Hirn wie gewünscht abgespeichert und können in der Situation, in der Sie die Verbindung brauchen auch abgerufen werden. Ebenfalls wichtig ist, dass Sie Ihre persönlichen Vorlieben und Stärken dabei einsetzen. Vielleicht finden Sie das Beispiel mit dem Kugelschreiber nicht hilfreich. Vielleicht reagieren Sie zuverlässiger auf innere Bilder oder auf Klänge oder wie im Beispiel mit Weihnachten auf Gerüche. Und vielleicht möchten Sie in einer Stress-Situation keine Entspannung durch ein Lächeln, sondern eher durch die Vorstellung eines gewonnen Kampfes, oder die Sicherheit eines inneren Rückzuges an einen Ort, den Sie mit Geborgenheit verbinden. Probieren Sie aus und stellen Sie sich das meist Wirksame zusammen!

 

«Das Ziel des mentalen Trainings besteht darin, sich in einen psychischen Zustand zu versetzen, der es ermöglicht, unter allen denkbaren Umständen die eigenen realistischen Lösungsmöglichkeiten zu entfalten.»
(Hans Eberspächer, Mentales Training, Copress Sport 2004)

 

Das Zitat weist auf einen weiteren wichtigen Faktor hin, der Voraussetzung für die Wirksamkeit mentaler Techniken ist: das Trainieren der Übungen. Selbst wenn es gelingt die Verbindung, die Sie bewusst geschaffen haben, im Hirn zu speichern, werden Sie ohne dauernde Übung, in der Situation, in der die Verbindung wirken soll, eventuell nicht in der Lage sein, sie abzurufen. Über den wichtigen Vorgang des zuverlässigen «Abrufens» im Hirn erfahren Sie darum im nächsten Artikel noch Genaueres.

Dieser Beitrag wurde von Nicole Züsli (Psychologin lic. phil. I) verfasst.

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