Positive Psychologie: Das Flow-Erlebnis

Flow

Wenn du in eine Tätigkeit vertieft bist, alles andere bedeutungslos wird und du das Gefühl hast die Zeit stünde still – weil du gerade völlig in der Aufgabe aufgehst – dann erlebst du einen Moment des Flow.

Mir persönlich geht es so, wenn ich schwimme. Bahn um Bahn ziehe ich meine Längen und begebe mich dabei Meter um Meter mehr in diesen herrlichen Zustand hinein. Meist dauert es knapp 20 Minuten, bis ich alles um mich herum vergesse und völlig im Hier und Jetzt ankomme. Meine Aufmerksamkeit ist vollends auf meine Bewegung und Atmung gerichtet: Einatmen. Ausatmen. Immer weiter und immer leichter gleite ich durchs Wasser. Mit Blick auf den Boden des Schwimmbeckens, auf dem sich die Wasseroberfläche spiegelt und ein Bild wie in einem Kaleidoskop entsteht. Mein Kopf ist frei. Leer von Gedanken, schwebe ich durchs Wasser und spüre dabei den Wasserwiderstand auf meiner Haut. Obschon sich alles mühelos und leicht anfühlt, lote ich Meter um Meter meine eigenen körperlichen Grenzen aus. Kilometer später, wenn ich mich entscheide das Wasser zu verlassen, ist es, als würde ich aus einem Traum erwachen.

 

«Ich liebe den Flow – diesen Zustand, in dem alles möglich ist und in dem ich das Gefühl habe, meinem Körper so nah zu sein wie nur selten.»

 

Kennst du dieses Gefühl? Wann warst du das letzte Mal im Flow?
 

Was ist Flow?

Wenn du Flow-Erlebnisse kennst, weisst du wahrscheinlich auch, wie berauschend sie wirken können. Doch was genau ist Flow und wie ist es möglich, dieses Hochgefühl zu erreichen?

Mihaly Csikszentmihalyi ist einer der ersten, der den Zustand des Flow untersucht und beschrieben hat. Nach seinem Verständnis ist Flow einerseits ein Bewusstseinszustand, in dem man komplett in einer Tätigkeit aufgeht, ohne andere Gedanken und Gefühle zu haben. Andererseits umfasst Flow nebst dem totalen Fokus auch die Freude, die durch ein harmonisches Zusammenspiel von Körper und Geist entsteht.
Mit meinen Flow-Erlebnissen im Schwimmsport bin ich nicht alleine. Im Ausdauersport stehen die Chancen Fachleuten zufolge besonders gut, einen Flow-Zustand zu erleben. Der repetitive, zyklische Bewegungsablauf fördert die Versunkenheit und die vollkommene Aufmerksamkeit, welche ein Flow-Erlebnis begünstigen. Es gibt aber auch eine Vielzahl anderer Tätigkeiten und Handlungen, bei denen man in einen Zustand des Flow kommen kann.

Charakteristisch für Flow ist die auf eine spezifische Aufgabe/Tätigkeit gerichtete, absolute Konzentration, bei der man nichts von dem wahrnimmt, was um einen herum passiert. Diese Sammlung der Aufmerksamkeit erlaubt es, Alltagssorgen, Stress, störende Gedanken und negative Gefühle hinter sich zu lassen und für einen Moment alles zu vergessen. Dies wiederum ermöglicht, dass die ganze Energie zielgerichtet für die Handlung eingesetzt wird, was meist mit einer besseren Leistung einhergeht. Typisch für ein Flow-Erlebnis ist zudem, dass der Flow sofort unterbrochen wird, sobald man die Aufmerksamkeit auf etwas Anderes lenkt. Ein weiteres Merkmal des Flow-Erlebens ist, dass man sich selbst in der Tätigkeit völlig verliert. Man denk in diesem Moment weder an sich selbst noch an das, was man gerade tut. Irgendwie beeindruckend, nicht?

Was braucht es für ein Flow-Erlebnis?

Von Mihaly Csikszentmihalyi, dem Pionier der Flow-Forschung, werden acht Elemente des Flow beschrieben, von denen die ersten drei als notwendige Voraussetzungen für ein Flow-Erlebnis bezeichnet werden.

8 Elemente des Flow

#1 Klarheit der Ziele und unmittelbare Feedbacks
Da viele Sportarten und eine Vielzahl künstlerischer Betätigungen diese Voraussetzungen bieten, werden sie häufig als «klassische» Flow-Aktivitäten bezeichnet. In einem Flow-Zustand haben Menschen klare Ziele vor Augen. Eine Tennisspielerin hat beispielsweise das Ziel, den Ball ins gegnerische Feld zu schlagen. Darüber hinaus ist sie sich bewusst, was nötig ist, um ein Match zu gewinnen – die Regeln sind klar und sowohl Erfolg als auch Misserfolg einer jeden Handlung werden unmittelbar erlebt. Wichtig dabei ist, dass die Person die Rückmeldung selbst wahrnimmt. Wenn Menschen Feedbacks nicht als solche erkennen, können sie nicht wissen, ob sie ihrem Ziel nähergekommen sind. So wird es schwer, den Aufmerksamkeitsfokus weiter auf dieselbe Tätigkeit zu legen: Das Gefühl, dass eine Handlung glatt läuft entgleitet, das Tun wird als weniger erfreulich wahrgenommen – der Zustand des Flow entfällt.

#2 Intensive Konzentration und Fokus auf eine gerade durchgeführte Handlung
Eine hohe Konzentration erlaubt es, tief in eine Aktivität einzutauchen. Im Flow-Zustand bereitet es einem keinerlei Anstrengung, seine Aufmerksamkeit auf das Tun zu lenken, folglich kann man sich leicht konzentrieren. Dies hängt damit zusammen, dass wir Menschen lediglich eine begrenzte Menge an Informationen gleichzeitig aufnehmen können. Im Flow erfordert die Herausforderung der gerade durchgeführten Handlung indes so viel Kapazität, dass alle anderen Informationen in den Hintergrund geraten und die volle Konzentration auf das Tun möglich wird. In Berichten über persönliche Flow-Erlebnisse ist die mühelose Konzentration das Element, das von Personen am häufigsten genannt wird.

#3 Richtiges Verhältnis zwischen Anforderungen und Fähigkeiten
Damit ein Flow-Erlebnis möglich ist, muss der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe im richtigen Verhältnis zu den Fähigkeiten der handelnden Person stehen. Ist die Herausforderung zu gross, führt dies zu einem Gefühl der Anspannung, Angst und Frustration. Ist der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe hingegen zu gering und wird die Tätigkeit als einfach empfunden, werden Routine und Gefühle wie Langeweile und Unlust erlebt. Folglich musst du dich im Bereich zwischen den Polen Unter- und Überforderung bewegen, um einen Flow-Zustand zu erleben. Die Anforderungen, die an dich gestellt werden, müssen gerade so hoch sein, dass das Handeln weder langweilig ist, noch Angst auslöst. Es soll dir Freude bereiten, weil gerade diejenigen deiner Fähigkeiten «herausgekitzelt» werden, die die Aufgabe verlangt. Auf diese Weise schöpfst du deine Fähigkeiten aus und nutzt deine Potenziale.

#4 Gefühl von Kontrolle
Kennzeichnend für den Flow-Zustand ist ein verstärktes Gefühl von Kontrolle über das eigene Tun. Wenn du klare Ziele hast, zu denen regelmässige Rückmeldungen erfolgen, kann sich ein Zustand von Kontrolle ergeben. In solchen Momenten hast du das Gefühl, die Situation im Griff zu haben. Die Handlung beginnt zu fliessen – «es läuft». Deine Fähigkeiten sind soweit vorhanden, dass sie das Handeln in einem bestimmten Rahmen kontrollieren können. Dieses subjektive Kontrollgefühl ist ein wesentlicher Bestandteil der Flow-Erfahrung und beschreibt einen Zustand der Angstfreiheit und Gelöstheit.

#5 Leichtigkeit des Handlungsablaufes
Die Mühelosigkeit des Handlungsablaufes gab dem Flow-Erlebnis seinen Namen. Alles läuft leicht und harmonisch, auch wenn die Handlung, z.B. ein Tennismatch oder ein Solokonzert, von aussen betrachtet einen beträchtlichen Energieeinsatz erfordert. Obschon das Tun von aussen gesehen anstrengend und anspruchsvoll scheint, nehmen Personen in einem Zustand des Flow subjektiv keine besondere Anstrengung wahr. Die Tätigkeit verläuft mühelos und wie aus einer inneren Logik heraus.

#6 Verlust des Zeiterlebens
Charakteristisch für die Flow-Erfahrung ist die veränderte Zeitwahrnehmung. Nach dem Ende einer Tätigkeit sind viele erstaunt darüber, wie spät es ist. Während der Handlung selbst hat man hingegen oft das Gefühl, schon lange dabei zu sein. Im Erleben kommt es zu Zeitdehnungen und -raffungen: Stunden vergehen wie im Flug, eine Minute fühlt sich an wie eine Stunde. Daher spricht man auch von einem «zeitfreien» Flow-Modus.

#7 Verschmelzung von Bewusstsein und Handlung
Das Gefühl, mit der Handlung zu verschmelzen kommt daher, dass man im Flow-Zustand seine Aufmerksamkeit und Konzentration vollkommen auf eine Handlung richtet und alles andere komplett ausblendet. Die Aufmerksamkeit ist so weit auf das Tun konzentriert, dass andere Gedanken wie «Mache ich alles richtig?», «Kann ich das wirklich?» keinen Platz und Zugang mehr finden. In der Literatur wurde dieser Zustand von einem Felsenkletterer beschrieben als «…Man sieht sich selbst nicht getrennt von dem was man tut.». Das Gefühl in der Handlung aufzugehen, kann sich bis zu einem Gefühl von Transzendenz ausweiten, einem Eindruck, demzufolge man mit allem verbunden ist, was mit dem Tun zusammenhängt. Das heisst nicht, dass man sein Bewusstsein verliert. Es bedeutet vielmehr, dass man für eine gewisse Zeitspanne das Bewusstsein für sich selbst verliert. Dieser «ich-lose» Zustand im Flow wird von vielen Menschen als Augenblick frei von Sorgen und körperlichen Beschwerden beschrieben.

#8 Das Gefühl, dass die Handlungen an und für sich belohnend sind
Dem Flow-Erlebnis wird eine autotelische Qualität zugeschrieben. Das bedeutet, dass nicht erst das Resultat einer Handlung als befriedigend wahrgenommen wird, sondern bereits die Handlung selbst. In anderen Worten liegt das Ziel der Tätigkeit zu einem grossen Teil bereits in der Handlung selbst. Handeln im Flow wird folglich auch als «Immediate Return on Investment» beschrieben.

Weisst du was das Magische am Flow ist? Man kann ihn nicht erzwingen und er ist nicht alltäglich. Flow-Erlebnisse kommen und gehen. Deshalb ist es wichtig, dass du sie geniesst, wenn sie da sind und die Kraft und Ruhe die sie dir geben, mit in deinen Alltag nimmst.


Referenzen:
Csikszentmihalyi, M. (1975). Beyond boredom and anxiety: Experiencing flow in work and play. San Francisco, CA: Jossey-Bass.
Csikszentmihalyi, M. (1990). Flow: The psychology of optimal experience. New York, NY: Harper & Row.
Csikszentmihalyi, M. (1996). Creativity: Flow and the psychology of discovery and invention. New York, NY: HarperCollins.
Csikszentmihalyi, M. (1997). Finding Flow: The Psychology of engagement with everyday life. New York, NY: Basic Books.
Csikszentmihalyi, M. (2010). Das fow-Erlebnis. (11. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta. Jackson, S. (1995). Factors influencing the occurrence of flow state in elite athletes. Journal of Applied Sport Psychology, 7, 138–166.
Jackson, S. (1996). Toward a conceptual understanding of the flow experience in elite athletes. Research Quarterly for Exercise and Sport, 67, 76–90.
Nüssli, S. & Fischer, S. Flow im Sport: Wenn es wie von alleine geht. Blogbeitrag. FitforLife.ch.

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