«Kannst du mir helfen?»
Wir brauchen alle irgendwann Hilfe. Sei es bei einem Umzug zum Kistenschleppen, auf Arbeit, wenn wir bei einem Problem nicht mehr weiterwissen oder wenn wir uns aktuell, aufgrund von Corona bedingten Massnahmen, nicht wie gewohnt bewegen wollen oder dürfen. Irgendwann im Verlaufe unseres Lebens kommt jeder an einen Punkt, an dem er oder sie Unterstützung braucht.
Lieber nicht um Hilfe bitten
«Soll ich wirklich fragen?» Auch wenn Helfen etwas Alltägliches ist, empfinden viele die Frage danach als unangenehm. Lieber investieren wir dreimal so viel Zeit um etwas zu schaffen, anstatt die Worte «kannst du mir helfen» zu formulieren. Wir haben Angst davor eine Schwäche zu zeigen und uns dadurch Blösse zu geben. Zum einen befürchten wir, dass es unserm Ruf schadet, wenn wir etwas nicht selber schaffen. Wir haben Angst davor, was andere von uns denken. Zum anderen befürchten wir, dass unser Selbstwert geschwächt wird. Schliesslich muss ich mir eingestehen, dass ich Hilfe wünsche, wenn ich danach frage. Dem gegenüber steht die Grundeinstellung, alles selber schaffen zu müssen – und dass es schon irgendwie geht. Wieso soll ich also fragen? Schliesslich entsteht mit dem Fragen auch die unangenehme Möglichkeit, dass wir abgelehnt werden. Insbesondere wenn wir das Gefühl haben, dass die gefragte Person keine Zeit hat oder die Hilfe anstrengend sein könnte, erwarten wir eher ein «Nein». In der Angst vor Ablehnung vertrösten wir uns dann mit «damit will ich die Person nicht belästigen» und vermeiden die Frage.
Natürlich variieren beschriebene Befürchtungen von Person zu Person und sie sind vom Setting abhängig. Man kann jedoch beobachten, dass uns das Fragen um Hilfe schwerer fällt, als zu erwarten wäre. Hinzu kommt, dass nicht nur das Fragen, sondern auch das Annehmen von Hilfe, gar nicht so einfach ist.
Nein danke, das schaffe ich alleine
Das Prinzip des «reziproken Altruismus» ist evolutionär bedingt tief in uns verankert. Dieses Prinzip besagt, dass wir beim Helfen stets die Erwartung haben, irgendwann auch Unterstützung zu bekommen.
«So du mir, so ich dir»
Tatsächlich ist uns ein ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen sehr wichtig. Asymmetrische Beziehungen, in denen die eine mehr gibt und der andere mehr profitiert, machen langfristig beide Parteien unzufrieden.
Vermutlich ist dieses Prinzip verantwortlich dafür, dass wir sorgfältig überdenken, ob wir Hilfe annehmen möchten. Gerade ältere Menschen bitten ungern um Hilfe und nehmen diese ungerne an, da sie das Gefühl haben, keine Gegenleistung anbieten zu können. Wir möchten uns revanchieren können! Daraus folgt, dass wir Respekt davor haben, in der Schuld von jemandem zu stehen. Schliesslich könnten wir eine zukünftige Bitte des Gegenübers schlechter ablehnen, wenn wir jetzt Hilfe annehmen.
Helfen macht glücklich
Die Forschung rund um das Thema: «Was macht uns glücklich?» widerspricht auf den ersten Blick der Tatsache, dass wir es schwierig finden, Hilfe anzunehmen. Denn «Hilfe leisten und geben» zählen zu den Dingen, welche uns langfristig glücklich machen! Wie die Glücksforscherin Elisabeth Dunn zeigte, sind Personen, die Geld für gemeinnützige Zwecke spenden, unabhängig von der eigenen finanziellen Situation, zufriedener als solche, die dies nicht tun. Dabei scheint das Spenden ungefähr denselben Effekt auf die Zufriedenheit zu haben, wie wenn man doppelt so viel verdienen würde!
Der Effekt von Geben auf die Zufriedenheit ist allerdings stark vom wie abhängig. Spenden alleine reicht nicht aus, um uns glücklich zu machen. Was wir benötigen, ist emotionale Verbundenheit. Damit sich Geben oder Helfen auf unsere Zufriedenheit auswirkt, müssen wir wissen, für wen unsere Unterstützung welchen Unterschied gemacht hat!
Wenn uns sichtbares und persönliches Helfen zufrieden macht – wieso haben wir dann Respekt davor, andere um Hilfe zu bitten? Die Antwort darauf liegt im «wie» wir fragen.
So fragst du erfolgreich um Hilfe
Dinge, die wir gut können, machen uns mehr Spass. So ist es auch beim «um Hilfe bitten». Wie bitte ich also erfolgreich um Hilfe, so dass mein Gegenüber nicht nur «ja» sagt, sondern es der Person auch Spass macht, mir zu helfen? Heidi Gant hat sich intensiv mit diesem Thema befasst und gibt in ihrem Buch sowie einem Ted Talk Antworten.
- Möglichst spezifisch zu fragen. Wir helfen gerne, wenn wir dabei unser Können, unsere Freundschaft oder unsere Erfahrung unter Beweis stellen können. Und, wenn wir jemanden unterstützen, so möchten wir dies gut machen. Nichts ist weniger zufriedenstellend, als wenn wir helfen und es bewirkt nicht den gewünschten Effekt! Um einschätzen zu können, ob wir fähig sind erfolgreich zu helfen, müssen wir genau wissen worum es geht und warum wir die richtige Person dafür sind. Unklar formulierte Anfragen ohne Erklärung werden eher abgelehnt, weil die Gefahr besteht, dass wir nicht effektiv unterstützen können und sich dies schlecht anfühlen würde.
- Sich bloss nicht für die Frage entschuldigen. Wenn wir dem Gefragten mitteilen, dass wir sehr ungerne, nun im letzten Notfall, leider, um Hilfe bitten müssen und dies eigentlich abgrundtief hassen – wie soll es dem Gegenüber auf diese Weise Freude bereiten, uns zu unterstützen? Wie du gelesen hast, macht uns Helfen glücklich, wenn es den/die Geholfene/n ebenfalls zufrieden macht. Die Bitte um Hilfe sollte somit aus der Perspektive gesehen werden, dass man dem Gefragten die Möglichkeit gibt, einen wertvollen Beitrag (z.B. zu einem Projekt oder der Lösung in einer schwierigen Situation) zu leisten.
- Persönlich fragen. Es ist zwar einfacher, eine Bitte per E-Mail oder SMS zu formulieren, aber es ist auch viel einfacher, eine Bitte über den schriftlichen Weg abzulehnen! Wie du nun bereits weisst, braucht Unterstützen emotionale und persönliche Verbundenheit, damit es sich gut anfühlt. Diese Verbundenheit erreichen wir viel eher, wenn wir persönlich (oder zumindest von Angesicht zu Angesicht per Videokonferenz) fragen.
- Unbedingt Feedback geben. Nicht das Helfen selber, sondern, dass diese Hilfe effektiv und gut ist, macht uns Freude. Aus dem Grund sollte man bei erhaltener Hilfe nicht nur danken, sondern unbedingt rückmelden, welche Wirkung die Unterstützung erzielt hat! Gebe unbedingt irgendein beschreibendes, positives Feedback! Wahrscheinlich würdest auch du die Pflanzen der Nachbaren in den nächsten Ferien lieber erneut giessen, wenn du ein «Vielen Dank, die sehen ja super aus. Jene am Fenster ist um 10cm gewachsen» als Rückmeldung erhältst.
Die Worte formulieren
Auch wenn wir gerne über uns denken, dass wir alles alleine im Griff haben, brauchen wir alle irgendwann Hilfe, um erfolgreich und zufrieden zu sein. Diese Frage nach Hilfe sollten wir auch wirklich formulieren! Unsere vielleicht niederschwellig bestehende Erwartung, dass unsere Mitmenschen von sich aus Hilfe anbieten, ist grösstenteils unberechtigt. Zum einen ist es selbst für sehr nahestehende Personen schwierig, unausgesprochene Bedürfnisse zu erkennen. Zum anderen kommt ungefragte Hilfe und ungefragter Rat selten gut an! Wenn man hingegen die Worte: «Kannst du mir helfen?» formuliert und dem gegenüber somit die Chance gibt, persönlich einen wertvollen Unterschied zu leisten, erhalten wir die Hilfe viel eher.
Referenzen:
Dunn, E. W., Aknin, L. B., & Norton, M. I. (2008). Spending Money on Others Promotes Happiness. Science, 319(5870), 1687-1688.
Gesundheitsförderung Schweiz, (2020). Soziale Ressourcen. Förderung sozialer Ressourcen als wichtiger Beitrag für die psychische Gesundheit und eine hohe Lebensqualität.
Halvorson, H. G. (2018). Reinforcements: How to Get People to Help You. Harvard Business Review Press.
TED Salon: Brightline Initiative (Hrsg.). How to ask for help – and get a “yes” from Heidi Grant. [Video].
TED Conference (Hrsg.). (2019). Helping others makes us happier – bit it matters how we do it from Elizabeth Dunn. [Video].
Trivers, R. L. (1971). The evolution of reciprocal altruism. Quarterly Review of Biology. 46: 35–57.